Eine kleine Kreatur könnte das älteste Beispiel für ein altes Gehirn sein, das wir haben
Die Ursprünge des Lebens auf der Erde ist eine faszinierende Frage. Noch interessanter ist aus einem gewissen Blickwinkel der Versuch, die Evolution eines wichtigen Organs wie dem Gehirn zu verstehen. Um zu versuchen, auf diese Frage zu antworten, hat eine junge Studie einige Entdeckungen gemacht, die unser bisheriges Wissen umschreiben können. Sehen wir uns an worum es sich handelt und reisen wir dabei über 500 Millionen Jahre zurück.
Wann entstand das erste tierische Gehirn?
Strausfeld et al./Science
Wir sind im Kambrium, der ersten Periode des Paläozoikums, um die 525 Millionen Jahre in der Vergangenheit. Die Kontinente entfernen sich voneinander und vom Superkontinent Rodinia. Auf der Erde gibt es keine Pflanzen, sondern nur verstreute Flechten und Algen. Und in den Ozeanen schwimmt eine seltsame Kreatur. Es handelt sich um den Cardiodictyon catenulum, einen eineinhalb Zentimeter langen Meereswurm, dessen Fossilien in China entdeckt worden sind.
Dieses kleine Tier war Teil der gepanzerten Lobopoden, alten Bewohnern des Kambriums, die die Meere vor 540 bis 500 Millionen Jahren beherrschten. Das Cardiodictyon catenulum bewegte sich mit stummeligen und gelenklosen Beinen fort, aber es hatte ein Gehirn und neuronale Ganglien. Das außergewöhnliche an dieser Entdeckung ist, dass die Forscher zum ersten Mal ein fossiles Gehirn untersuchen konnten- oder besser gesagt das älteste fossile Gehirn, das jemals gefunden wurde. Aber wie ist das möglich?
Das erste fossile Gehirn: Eine Entdeckung, die die Geschichte des Lebens auf der Erde umschreibt
Nicholas Strausfeld
Wie wissen, wie selten Weichgewebe zu versteinerten Fossilien wird. Auf der anderen Seite haben wir tausende von Saurierknochen, die dies bestätigen. Selten bedeutet jedoch nicht unmöglich: Gemäß der Studie, die in Science publiziert wurde, hatte dieser Meereswurm tatsächlich drei Gehirnbereiche. Jeder davon war mit einigen Anhängseln des Kopfes verbunden und ebenso mit einem Abschnitt des vorderen Verdauungssystems.
Das bedeutet, dass der Cardiodictyon catenulum einen gemeinsamen genetischen Bauplan für die Gehirnbildung hatte. Die Auswirkungen dieser Erkenntnisse sind für Gliederfüßer außergewöhnlich, aber auch interessant für ihre engeren Verwandten. Den Forschern zufolge können diese Erkenntnisse auch auf Tiere anderer Kategorien angewendet werden. Weitere Studien über die Genetik der Gehirnbildung werden erforderlich sein.
Die Zukunft der Forschung am ersten gefundenen fossilen Gehirn
Strausfeld et al./Science
Die Forschung am ersten fossilen Gehirnfund und nur ein erster Schritt zum Verständnis der evolutionären Dynamik des Gehirns der Tiere. Laut Nicholas Strausfeld und Frank Hirth, zwei für die Studien verantwortlichen Forschern, könnte das Gehirn von Cardiodictyon catenulum sogar unser Wissen darüber revolutionieren, wie sich die zerebralen Strukturen bei den ersten Tieren entwickelten. Strausfeld schließt mit einer Botschaft, die der heutigen biologischen Vielfalt gewidmet ist, in einer Zeit, in der der Klimawandel unseren Planeten radikal verändert:
In einer Zeit, in der wichtige geologische und klimatische Ereignisse den Planeten umformten, entwickelten sich aus einfachen Meerestierenn wir dem Cardiodictyon die vielfältigsten Organismen der Welt, die Euarthropoden, die sich folglich in allen neu entstehenden Lebensräumen der Erde ausbreiteten, jetzt aber von unserer kurzlebigen Art bedroht werden.
Insgesamt bietet die Entdeckung des ersten fossilen Gehirns nicht nur einen faszinierenden Blick in die Vergangenheit, sondern sie eröffnet auch neue Perspektiven auf unsere eigene Evolution und auf die Gegenwart. Das Thema des Klimawandels hat durchaus etwas mit der Geschichte des Cardiodictyon catenulum zu tun, so wie auch unser Schicksal von dem unseres Planeten zusammenhängt. Und man braucht kein versteinertes Gehirn, um das zu verstehen.